Dana Haug

Inspiriert von: Musikstück von Katja Mair

Das Stück erinnert mich an das Erwachen aus einem tiefen Schlaf, was viele unerzählte Geschichten und Erinnerungen wieder zum Leben erweckt. Genau das sollte der Text widerspiegeln. Diese mächtigen Steine des Schlosses fangen an zu leben und nehmen den Zuhörenden mit auf eine Reise in die Vergangenheit. Die Musik von Katja Mair hat in meinen Augen auch etwas Bedrohliches, das sich aber im Verlauf des Stücks in etwas Harmonisches entwickelt. Wie der Stein uns zu Beginn vielleicht Angst macht, bemerken wir schliesslich, dass wir auch ein Teil davon sind. Ein Teil von unserem Schloss und seiner Vergangenheit (vgl. Ende des Textes).

 

Steine der Zeit

*tiefes Atmen*
Der Stein atmet.
*tiefes Atmen*
Atmet unter mir, neben mir, über mir …

Es ist ein tiefer, langer Atem, geprägt von Zeit, Zeitlosigkeit, Zeitalter, Zeitgeist, Zeitgeschichte und Gezeiten -spürbar von allen Seiten. Der Atem der Zeit halt. Geprägt nicht nur von Zeit, sondern auch Jahreszeiten, die durch-, über- und er-lebt wurden. Kaum sichtbare Atemwolken an kalten Wintertagen, klagen von Frost und gefrorenem See. Fast spürt man den Hauch von frischer Frühlingsluft und Rosenduft erfüllt mit Lebenslust. Gewisse Atemzüge scheinen tiefer, älter, länger. Manche leichter, jünger. Der Atem der Zeit im Wandel halt.

Ja, der Stein atmet.
Der Stein atmet unter mir, neben mir, über mir …
… Und ich atme mit

Aber der Stein erzählt auch.
Er erzählt und es klingt von unter mir, neben mir, über mir …

Erzählt von Festen, Feiern, Trauungen, Hochzeiten, Musik, Tanz und Gelage. Er lässt mich Stimmen, Töne, Bass, Lachen, Jauchzen und etliche andere Sachen hören. Geschichten der schönen Zeiten halt. Aber da warn auch unklare Tage, ängstliche Tage im Unwissen, ob der Stein nun hält, keinem anderem zufällt, sein Umfeld bestehen bleibt- alles Recht und Ordnung behält. Und er lässt mich scheppernde Ketten, Rufe aus fremden Städten, Stimmen in Planung, Krise, Verhandlung sowie Hufschläge, ob nun hektisch oder träge, hören. Geschichten der Zeit halt.

Ja, der Stein erzählt.
Er erzählt und es klingt von unter mir, neben mir, über mir …
… und ich höre zu.

Hörst du es auch? Hörst du ihm auch beim Atmen und Erzählen zu? Dem Stein, diesem Ur-Gestein, dass lange gewacht, bewacht, überwacht, vieles mitgemacht, oft mitgelacht, hier Tag und Nacht verbracht hat und es weiterhin tut.

Denn hier ist Stein
Stein ist unter mir, neben mir, über mir …
… und ich bin auch hier, in diesem Schloss aus Stein, atme mit und höre zu.